Otto Friedrich Gruppe

1804 – 1876

Die Lieb’ ist aller Sterne feste Sonne,

Die durch den weiten Himmel Leben sprühet

Und schafft, daß jede Farbe lustig glühet;

Die Wesen dürsten, und sie stillt mit Wonne.

 

Die Erde wäre sonst nur eine Nonne,

Die Sonn’ auf ihren Wangen wär verblühet,

Nur Tod und Winter hätten sich verfrühet:

Die Welt wär nichts als eine finstre Tonne.

 

Wer zweifelt noch, woher die Lieb’ entstamme?

Auf jeglichem Altar ist sie die Flamme,

Und ist die Flamm’ auf Vesta’s keuschem Heerde.

 

Nehmt ihrer wahr! Sonst wächst sie ungeheuer,

Verschlingt in Flammen Himmel euch und Erde,

Und überflammet Höll’ und Fegefeuer!

 

 

 

 

Otto Friedrich Gruppe

1804 – 1876

Wie sündlich, Knospen vor der Blüthe Prangen,

Wie sündlich Blüthe vor vor der Frucht zu fällen:

Laß ab, unreifem Kusse nachzustellen,

O, wenn du kannst, bezähm ein wild Verlangen.

 

Weißt du den Kuß auf schönstem mund dir hangen,

So braucht er Schatten und muß still bei hellen

Thränen erblühn, sich süßen und sich schwellen,

Und langsam reifen bei verschämten Wangen.

 

Wer gab? wer nahm? Er fällt in trauter Stunde,

Wie reife Frucht, leis’ angerührt, zum Munde,

Und für dies Leben ist das Herz erquicket.

 

Er ist so sanft von stillgeweinten Thränen,

So heiß und ungestüm von herbem Sehnen,

Und süßes Flüstern wird davon ersticket!

 

 

 

 

Otto Friedrich Gruppe

1804 – 1876

Was hebt den jungen Busen zum Gesange,

Daß er so mächtig schlägt, so innig klaget?

Die Liebe, die sich nicht zu denken waget,

Und wieder Liebe mit dem starken Drange!

 

Schau ich nun aber deine blasse Wange,

Ach, nur ein Schmerz ists, der am Herzen naget,

Und auch dein thränenfeuchtes Auge saget,

Vertraut dem Gram ist dieses Herz schon lange.

 

Die Kunst ward keinem der mit reinem Munde

Nicht Lieb’ und Schmerz aus vollem Kelch getrunken,

Den bittern wie den süßen bis zum Grunde.

 

Den einen trankst du; doch mit Sangeslippen

Sollst du der sel’gen Liebe Kelch auch nippen:

Und zünde dir ins Herz ihr heil’ger Funken!

 

 

 

 

Otto Friedrich Gruppe

1804 – 1876

Ein schmucker Jäger dort mit kühnem Sinn,

In den bebenden Gliedern frisches Blut,

Sein Rohr ist rostig, doch sein Blick ist gut,

Das Wild im Wald ist seines feines Rohrs Gewinn.

 

Als er mich sah, so schlüpft’ er seitwärts hin

Und war wie einer welcher Böses thut;

Wohl, ich verstehe dich, was auf dir ruht –

Du bliebest, wenn du wüßtest wer ich bin.

 

Du hast mich nicht zu fliehn – doch ich zu weinen,

denn unser Schicksal ist sich nahe gleich,

Nur gleicht sich deins an Schwere nicht dem meinen.

 

Die Welt ist, was das Herz sich wünscht, so reich,

Ich hab’ ein Herz – doch reich sind nur die Reichen –

So muß ich durch die Welt als Wilddieb schleichen.

 

 

 

 

Otto Friedrich Gruppe

1804 – 1876

Das war bei Nacht, und ich war fehlgegangen,

Kein Leitstern wollte meinem Wege leuchten;

Die Zweig’ umstrickten, näßten mich, die feuchten,

Und Dornen ritzten streifend mir die Wangen.

 

Ich war voll Angst, ich hatte mich verfangen,

Um meinen Fuß mir wollt’s wie Schlangen deuchten.

Auf einmal flammt am Himmel rothes Leuchten:

Was sah ich da statt Dornen und statt Schlangen?

 

Es waren lauter Rosen, naß vom Thaue,

Ein See lag unten zwischen holden Hügeln,

Und Blüthenbäume standen rings und lachten.

 

Doch das verschlang die Nacht mit schwarzen Flügeln:

Ein einz’ger Blick, und dann ein langes Nachten!

O sel’ger Tag, brich an, aufdaß ich schaue!

 

 

 

Otto Friedrich Gruppe

1804 – 1876

Wo wollt’ es hin, wenn jede Knospe blühte,

Wenn alle keime sproßten und gediehen,

Und wenn wir müßten alle Saamen ziehen –

Daß uns der Himmel doch davor behüte.

 

Ja, die Natur die reiche, voller Güte,

Hat auch dem Untergang sein Recht verliehen,

Zufrieden der Vernichtung zu entfliehen,

wenn nur Ein Körnchen keimt aus Einer Blüthe.

 

Und der du selber lebst vom Untergange,

Und keinen Schritt thust, ohne zu zerstören,

Willst gegen die Natur dich hier empören!

 

Was giebt denn dir, o Mensch, ein Recht, zu wollen,

Daß jede deiner Saaten keim’ und prange,

Und daß sich deine Mühn vergelten sollen?

 

 

 

 

Otto Friedrich Gruppe

1804 – 1876

Wie du dein Glück machst? Hier vernimm das Wahre:

Zuerst bist du begünstigt für dies Leben,

Wenn dir Natur nur Mäßiges gegeben:

Und stets den regelrechten Weg bewahre!

 

Lern dich betrachten nur als Ding und Waare,

Was man dich heißt, das sei dein ganzes Streben,

So wird man höher dich und höher heben:

So sicher folgt kein Jahr dem andern Jahre.

 

Dies ist der Gang der Welt. Und treu und redlich

Kann man dabei sich nähren und die Seinen,

Und wohl dem Staat, dem solcher viele dienen!

 

Ja, tausend müssen leben als Maschinen,

Damit ein Einz’ger könn’ als Mensch erscheinen –

Wenns mehre wären, wäre das so schädlich?

 

 

 

Otto Friedrich Gruppe

1804 – 1876

Es wächst der wald mit immer mächt’gern Stämmen,

Die stolze Tann’ und die friedliche Linde,

Und Mann und Jungfrau werden aus dem Kinde:

wer will es ändern und wer will es hemmen?

 

Unmöglich, sich dagegen anzustemmen:

Die Jahre rollen eben nicht geschwinde,

Unwiderruflich doch.  Es wäre Sünde,

Doch wer vermöchte das, die Zeit zu dämmen.

 

Ihr aber, die ihr sie wollt überspringen,

Wißt ihr auch, was ihr thut? ein Werk der Thoren!

Doch gilt’s gleichviel, und nichts ist hier verloren.

 

Die Zukunft ist unwandelbar geboren,

Und was dem Weisesten nicht kann gelingen,

Das muß, zur Zeit, der Zufall selbst vollbringen.

 

 

 

Otto Friedrich Gruppe

1804 – 1876

Ich sah ein Land, mit aller Gunst gesegnet,

Und glaubte mich im Lande der Schlaraffen.

Man braucht hier nur den segen einzuraffen,

Der überall vom Himmel niederregnet.

 

Doch wo der Menschen Thun mir ist begegnet,

Da sah ich alles faulen und erschlaffen,

Und nach der Scholle schien der Mensch erschaffen,

Daß er des Denkens nimer sich verwegnet.

 

O kommt und schaut nach meinem Vaterlande:

Es ist nur eine flache Schicht von Erde

Durch strengen Fleiß auf einem Meer von Sande.

 

Hier hat ein männlich Volk, stark durch Entsagen,

Ein Reich gegründet durch ein mächtig Werde,

Deß Gipfel stolz vor allen Kronen ragen.

 

 

 

Otto Friedrich Gruppe

1804 – 1876

Habt ihr von jenen Reisenden vernommen,

Die in des hohen Nordens ödem Kreise

Mit Hunden strebten auf dem weiten Eise,

Vor sich den Nordstern, nach dem Pol zu kommen?

 

Von reicher Pracht des Nordlichts angeglommen,

So fuhren sie in stets geradem Gleise

Pfeilschnell dahin, doch wunderbarer Weise

Sahn sie des pfeilgeschwinden Laufs kein Frommen.

 

Da sahn sie ein: auf einer Eisesscholle

Trug sie umsonst des Schlitters Flug gen Norden,

Derweil das Eis gen Süden fuhr, gewaltsam!

 

Ihr Kleinen alle, sei’s von welchem Orden,

Was eifert ihr? bedenket eure Rolle!

Der Boden, drauf ihr steht, rollt unaufhaltsam!

 

 

 

Otto Friedrich Gruppe

1804 – 1876

Die ihr die Ohren stopft, um nicht zu hören,

Nehmt diesen Spiegel, drin euch zu betrachten:

Nur Todtes, Fernes, Fremdes wollt ihr achten,

Doch das Lebendige verneinend stören!

 

Ihr ließet Galilei heut noch schwören,

Ihr ließt die Großen, die den Tag uns brachten,

Kepler und Lessing, heute noch verschmachten,

Von Gauklern aber ließt ihr euch bethören.

 

Ich sag’ es euch: auch dieses ist ein Morden:

Ihr glaubet erst, wann’s wieder falsch geworden,

Und dünkt euch drob des heil’gen Worts Verkünder!

 

Ihr hättet „Kreuzige“ geschrien, ihr Sünder,

Und hättet Christum an das Kreuz geschlagen:

Denn wißt: ihr thuts noch stets in unsern Tagen!

 

 

 

Otto Friedrich Gruppe

1804 – 1876

O blendet mich, so werdet ihr mich heilen,

Ich kann nicht länger mitten inne schweifen,

Soll ich denn aber selbst Partei ergreifen,

Und selbst im Kampf zu einer Fahne eilen?

 

Denn wer im Kampfe sinnend will verweilen,

Den faßt das Schwungrad in die schnellen Weifen

Und wer sich muß nach beiden Seiten steifen,

der Kräfte Kampf wird ihm das Herz zertheilen.

 

Dein denk ich, deutsches Vaterland, und weine:

Du bist das Herz! Du fühlst es in den Adern,

Wenn Nord und Süd, wenn Ost und Westen hadern.

 

Du reichst dem knechtisch frommen Volk die Eine,

Die andre Hand dem leichtgesinnten Franken:

Bestimmt, die Elemente auszuschwanken.

 

 

 

 

Otto Friedrich Gruppe

1804 – 1876

Es hat die Press’ ein deutscher Mann erfunden,

Die tausend Flügel leihet dem Gedanken,

Ein Heil der Welt! Doch blick’ ich hin nach Franken,

Muß ich gestehn, sie schlägt auch tiefe Wunden.

 

Wer macht sie frei, und hält sie doch gebunden,

Und wer kann finden die gerechten Schranken?

Wir sahen Throne wanken, Völker kranken,

Doch Deutschland müsse stets durch sie gesunden!

 

Sie trägt der Weisen klargedachte Worte

Von Markt zu Markt und an die stillste Pforte,

Und redet ohne Menschenfurcht am Throne.

 

Doch ach, zum Drachen schwillt sie ungeheuer

Von Mißtraun, von Parteienhaß, Lug und Hohne,

Furchtbar, unzähmbar, wie des Waldbrands Feuer!

 

 

 

Otto Friedrich Gruppe

1804 – 1876

Was fragen sie, ob es uns Lust gewähret?

Es scheint der Mond die ganze Schlummernacht,

In Wüsten auch und öde Wildniß lacht

Die Sonne, die des Menschen Herz verkläret.

 

Fragt auch die Nachtigall, ob ihr sie höret?

Sie singt, wenn alles schläft und keiner wacht,

Es singt der Vogelschwarm mit lauter Macht

Im tiefsten Wald, wo keiner hört und störet.

 

Des Dichters Lied, im Innern still erzogen,

Ein süßer Umgang, mit sich selbst gepflogen –

Er singt es, weils ihn freut, wer wills verwehren?

 

Der Hörer und des Lobs kann er entbehren;

Doch wenn sein Lied ihm Lauscher angezogen,

Es wird ihr Lob ihn freuen und ihn ehren.